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1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 532

1859 - Lübeck : Rohden
532 Xxiv. §. 4. Philipp Ii. und die Niederlande. sergeusen", das Städtchen Briel zu erobern. Dcis war ein Signal zum Aufstand, fast alle nördlichen Provinzen erhoben sich gegen die spanische Herrschaft. Alba hatte gemeint, seine Arbeit geendet zu haben, jetzt fing sie erst recht an; er konnte mit seinen Spaniern Nichts gegen den tapsern und klugen Oranien ausrichten. Anderen Statt- haltern, die Philipp an seine Stelle sandte, ging es eben so. Zu- letzt fehlte es an Sold. Die spanischen Truppen empörten sich gegen ihren eignen Kriegsherrn. Da gewannen die Holländer, die Prote- stanten das entschiedene Uebergewicht in allen Provinzen. Sie schlos- sen die Genter Pacification (1576), und Philipp sah sich genvthigt, sie anzuerkennen. Die Niederlande schienen für ihn und für den Papst so gut wie verloren. Aber unerwartet erhoben sich ihm Freunde in den schon fast aufgegebenen Gebieten. Was Bayern für den deut- schen Katholieiömus war, das waren die wallonischen Provinzen Artois, Hennegau, Namur für die Gegenreformation der Niederlande. Von ihnen ging ein neuer Antrieb und Eifer aus, von ihnen aus zo- gen die Jesuiten, Kriegsleute und Gewalthaber in's Land, rotteten in allen Plätzen des heutigen Belgiens den Protestantismus gänzlich und gründlich aus, und errichteten hier eine Schanze des Katholicis- mus, von der aus das protestantische Holland ohne Unterlaß bekämpft werden konnte. Man muß sich den Aufstand der Niederländer gegen den spanischen König nicht gerade als eine Empörung der Unterkhanen gegen ihre Obrigkeit denken. Im Anfang durch die Bilderstürmer hatte die Be- wegung allerdings einen rebellischen Charakter, aber da wurde sie durch Alba völlig niedergeschlagen. Darnach aber, als durch das Ungeschick der spanischen Statthalter und durch die Empörungen und Rohheiten der spanischen Truppen alle Ordnung im Lande aufgelöst war und eine Regierung kaum mehr bestand, da griffen die alten, mit wohlbegründe- ten Gerechtsamen bekleideten Provinzialbehörden ein; die sogenannten Generalstaaten übernahmen wieder wie vormals die Verwaltung des Landes. Sie hatten nach den damaligen Rechten und Begriffen von Souveränetät die unzweifelhafte Befugniß dazu. Sie setzten die Be- hörden ein, die Magistrate, die Gouverneure, sie hoben Truppen aus, ernannten Osficiere und ordneten die Regierung des Landes in alt- hergebrachter Weise; und der König, ohne Truppen, ohne Geld, mußte ihre Anordnungen bestätigen. Sein Bruder, Johann von Oest- reich, der (1576) nach den Niederlanden gesendet wurde, konnte nur mit dem guten Willen der Generalstaaten seinen Posten einnehmen. Sobald er aber die beschworenen Versprechungen brach, verlor er alle Gewalt, alles Ansehen, und die Generalstaaten beriefen den östreichi- schen Prinzen Matthias (nachherigeu Kaiser) zum Generalstatthalter. Man sieht, Philipp Ii. hatte, wie die deutschen Kaiser vor und nach

2. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 637

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze. 637 scharfe und tiefgreifende Gegensätze in den Gemüthern, die bisher noch nicht überwunden sind und schwerlich noch je wieder überwun- den werden. Zwar jene erste Unzufriedenheit der deutschen Jugend, namentlich der studirenden Jünglinge und ihrer Lehrer, die selbst in den Freiheitskämpfen mitgefochten und jetzt statt eines einigen großen und mächtigen Deutschlands in mittelalterlicher Herrlichkeit, wie sie es gehofft und erträumt hatten, nur einen schwächlichen Staatenbund ent- stehen sahen — die ist nachher bald und mit großer Schärfe unter- drückt, und leider hat man dabei das Kind mit dem Bade ausgeschüt- tet. Aber eine andere politische Unzufriedenheit und steigender Gegen- satz gegen die Maßregeln der Regierung ließ sich nicht so schnell un- terdrücken trotz aller von Jahr zu Jahr verschärften Unterdrückungs- versuche. Das waren die Forderungen der sogenannten Liberalen, d. h. der Leute, welche auch nach der Franzosenverjagung doch innerlichst von französischen Ideen und Anschauungen geknechtet blieben und sich keine andere Volksbeglückung denken konnten, als durch Verfassungen nach französischem Muster. In Deutschland hatten von Alters her die Fürsten mit den Ständen regiert, und so war denn auch auf dem Wiener Congreß 1814 allen deutschen Staaten die Wiederher- stellung der alten ständischen Verfassung versprochen. Das mochte nun wohl seine Schwierigkeit haben, denn durch Willkürherrschaft der meisten deutschen Fürsten nach Ludwig's X!V. Muster, dann durch die Revolution und Napoleon's Alles verwirrendes Dazwi- schenfahren waren die alten Stände in den meisten Landschaften so gut wie verschwunden, wußten wenigstens nichts mehr von ihren alten Rechten und Pflichten, und das Wohl des Landes schien in ihren Händen nicht zu§t besten aufgehoben. Man machte hie und da Ver- suche mit Wiederherstellung oder neuer Einführung der Landstände, aber sie geriethen übel und gaben den Liberalen Vorwand und Anlaß genug, um die französischen Einrichtungen als allein segenbringend für daö Volk zu preisen. Und worin bestand denn eigentlich die be- glückende französische Verfassung? Es war nichts Anderes, als ein Abklatsch jener unglücklichen „Charte" von 1789, die der auf's Aeu- ßerfte gedrängte Ludwig Xvi. damals den Ständen oder der Na- tionalversammlung vorlegte, um durch freiwilliges Nachgeben ihre un- sinnig übertriebenen Forderungen wo möglich zu dämpfen und abzu- kaufen. Darin waren nämlich statt der Stände zwei Kammern von unterschiedlos erwählten Abgeordneten bewilligt, die jährlich vom Kö- nig einberufen werden mußten, nicht bloß um jedes Jahr die Befteu- rung des Landes neu zu bestimmen, sondern auch um alle zu erlassen-

3. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 650

1859 - Lübeck : Rohden
650 Xxv. §. 12. Die Kämpfe der Gegenwart. Ungeschickter auf gleichen Fuß gestellt werden. Doch gingen mit den Nationalwerkstätten keineswegs auch die coinmunistischen Ideen unter. In den verschiedensten Formen tauchten ste in allen Ländern Europa's immer wieder auf. In Deutschland fanden ste ganz befondern Anklang in den freien Gemeinden und bei den Lichtfreunden, in der Schweiz wurden sie in allen Wirthshänfern offen gepredigt. Wohl ist es wahr, daß durch das jämmerliche Ende der letzten volksbeglückenden Revolu- tion Viele ernüchtert und Vieler Augen aufgethan sind. Allein die Führer der ganzen Bewegung suchen seit der Zeit nur desto tiefer zu graben, um die Grundlagen von Staat und Kirche künftig desto erfolg- reicher zu erschüttern. §. 12. Die Kampfe der Gegenwart. Ruhe und Friede ist nach den unruhigen Jahren 1848 und 1849 nie ganz wiedergekehrt und ist auch nicht zu erwarten. Dieselben Gegensätze, welche damals die Kämpfe herbeisührten, bleiben auch jetzt noch dieselben und es sind noch neue hinzugekommen. Vor allen Din- gen handelt es sich um die Frage, ob von oben oder von unten die Staatsgewalt und alle Obrigkeit stammt. Gottes klares Wort sagt: die Obrigkeit ist von Gort. Die Liberalen aber mit den Franzosen an der Spitze sagen: die Obrigkeit ist vom Volk; das Volk kann sich seine Obrigkeit zurecht machen, wie es will, Könige absetzen und ein- setzen, Republiken gründen und Kaiserkronen verschenken, wie es ihm beliebt, und Niemand hat das Recht, ihm darein zu reden. In Frank- reich verficht diese Lehre mit Wort und That der Neffe des ersten Napoleon, der nach dem Tode von Napoleon's einzigem Sohne sich als den rechtmäßigen Erben der napoleonischen Ansprüche auf den fran- zösischen Thron betrachtete und schon während der Regierung Louis Philipp's etliche Versuche machte, das französische Militär und Volk zur Empörung zu reizen. Nach der Revolution in Paris 1848 ge- lang es ihm, durch eine Volksabstimmung zum Präsidenten der Repu- blik auf 4 Jahre gewählt zu werden. Er machte sich aber bald (2. December 1851) durch einen sogenannten Staatsstreich zum un- umschränkten Herrn des Landes, und ließ sich nachträglich durch neue Volksabstimmungen erst zum Präsidenten auf zehn Jahre, dann zum erblichen Kaiser der Franzosen ernennen (2. December 1852) und be- hauptet seitdem wie sein Onkel, auf das Entschiedenste die Grundsätze der Volkssouveränetät mit den Worten, aber einen eisernen Despo- tismus in der That. Die übrigen Fürsten Europa's fühlten sich nicht berufen, das Geschehene zu ändern, und erkannten den neuen französischen Kaiser an.. Doch ließ ihn der Kaiser Nicolaus von

4. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 659

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 13. Nordamerikanische Zustände. 659 Wo der König zwar auf dem Throne sitzen, aber nicht selbst regieren darf wie in England, da kann sich keine Liebe der Unterthanen zu ihrem Königshause erzeugen, welche auch über's Meer hin ein unzerreißbares Band bliebe; am wenigsten wenn dieerinncrung an die Verfolgungen dazu kommt, durch welche die Vater einstmals aus England vertrieben wurden. Den wechselnden englischen Ministern gegenüber und der Majorität des Parlaments fühlten die Nordamerikaner keinerlei Verpflichtung. Sie meinten genug tüchtige und wohlbefähigte Männer in ihren eig- nen Reihen zu haben, welche ihre Angelegenheiten in nächster Nähe besser zu leiten im Stande wären, als von jenseit des Meeres her. Es mochte den wenigsten Ansiedlern zum Bewußtsein kommen, daß sie Hochverrath und Treubruch übten, da sie 1773 gegen die englischen Auflagen und Zollmaßregeln sich empörten und mit den Waffen in der Hand ihre Unabhängigkeit und Lostrennung von England durch- setzten. Der sogenannte nordamerikanische Freiheitökampf (1775 bis 1783) ist freilich durch keinerlei Großthaten oder Patriotismus, we- der von der einen noch von der andern Seite ausgezeichnet, und der Ruhm Washington's gründet sich fürwahr nicht auf glänzende Siege und wunderbare Erfolge, sondern höchstens auf sein geduldiges und zähes Ausharren zwischen der Verkehrtheit und Widerwilligfeit seiner Landsleute und der ungeschickten Kriegführung der Engländer. Aber dadurch ist die Losreißung der Amerikaner wichtig für Europa ge- worden, daß die nunmehr zur Selbständigkeit gelangten Ansiedler ihre neuen republikanischen Einrichtungen als die Summe aller politischen Weisheit ausschrieen und den leichtgläubigen veränderungssüchtigen Europäern, die ihnen in ihrem Freiheitskamps zu Hülfe kamen, beson- ders den Franzosen das Märchen von den allgemeinen Menschenrechten, von der Freiheit und Gleichheit aufhefteten, welches sich in den unge- messenen Räumen Amerika's, wo Jeder dem Andern aus dem Wege gehen konnte, wohl hier und da einigermaßen verwirklichen ließ, in den dichtbevölkerten monarchischen Ländern Europa's aber nur als ein thörichtes Hirngespinnst erscheint. So begannen denn nun seit 1776, dem Jahr ihrer Unabhängig- keitserklärung, die dreizehn vereinigten Staaten von Nordamerika mit ihrem Congreß und ihrem alle vier Jahre wechselnden Präsidenten an der Spitze ihren neuen vielbewunderten Entwickelungögang, und haben sich in den noch nicht hundert Jahren ihres Bestehens in einer so überraschenden Weise ausgedehnt, daß sie sich selbst gern einem Riesensohn vergleichen, dessen Kräfte von Jahr zu Jahr und bis in's Ungeheure wachsen. Von den atlantischen Küsten aus, wo sie zuerst 42*

5. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 222

1859 - Lübeck : Rohden
222 Xiv. §. 10. Uebergang Rom's in ein Kaiserreich. bildeten den zuverlässigsten Bestandtheil seiner Kriegsmacht, die Stütze seiner Herrschaft; sie waren aber auch nebst den zahlreichen römischen Pflanzstädten das wirksamste Mittel, um bis an die äußersten Grenzen des Reichs römische Sitte, Sprache, Gesetze und römische Bildung zu verbreiten. Die Grenzprovinzen sammt allen sonst noch aus irgend einem Grunde wichtigen Provinzen behielt Augustus unter seiner eignen unmittelbaren Verwaltung und ernannte selbst die Legaten und Proprätoren mit festem Gehalt, welche nach seiner Instruction und unter seiner strengen Controle die Leitung der Geschäfte in den Provinzen übernehmen sollten. Da athmeten jene unglücklichen Länder wieder auf. Anstatt der wilden räuberischen Senatoren und Consularen, welche ihre Amtsgewalt als Statthalter nur dazu benutzt hatten, um in möglichst kurzer Zeit ungeheure Reichthümer zusammenzupressen, erfreuten ste sich jetzt einer wohlgeordneten bürgerlichen und militäri- schen Verwaltung, die selbst durch die tyrannischen Willkürlichkeiten spä- ter Kaiser wohl öfters aus eine Zeitlang gestört, aber niemals ganz durch- brochen wurde. Aber auch die übrigen der Verwaltung des Senats anvertrauten unwichtigeren Provinzen nahmen Theil an dieser wohl- thätigen Veränderung. Denn auch die senatorischen Beamten, sowie der ganze von Augustus gereinigte und wesentlich umgestaltete Se- nat fühlten sich beständig unter der scharfen Controle des Fürsten und scheuten sich, einen Anlaß zu geben zu gegründeten Anklagen oder Verdächtigungen, wodurch sie ihrer Aemter und Güter plötzlich verlustig gehen konnten. Auch waren ihrer Willkür durch die festen und klaren Gesetze des römischen Privatrechts überall feste Grenzen gesetzt und Riegel vorgeschoben, die Niemand so leicht ungestraft durchbrochen hätte. Daher kam es, daß sich im Großen und Ganzen die Masse der vom römischen Reich umklammerten Völker eines politischen Wohlseins und mehrentheils einer ruhigen Behaglichkeit erfreuten, die den Gedanken an Tumult, Aufstand, Empörung nur sehr schwer und selten aufkom- men ließ, selbst unter den verworfensten Kaisern. In diesem weiten, beruhigten, durch einen vielbewunderten Staatsmechaniömus trefflich zusammengehaltenen und geleiteten Reiche waltete nun der Augustus als „Vater des Vaterlandes" mit Milde, Weisheit und rücksichtsvoller Schonung der althergebrachten republikanischen Formen. > Die Titel König, Herr, Dictator wies er weit von sich ab. Mancher reiche Pri- vatmann lebte glänzender und schwelgerischer als er. Als einfachen Bürger sah man ihn unter den Mitbürgern umhergehen. Nur auf bestimmte Zeit, je fünf oder zehn Jahre, ließ er sich durch immer er- neute Bitten des Senats und Volks die höchsten Gewalten immer wieder übertragen. Er war seiner Sache zu gewiß, daß Rom nicht ohne ein monarchisches Haupt sein könne, und daß seine Regierung als die höchste Wohlthat von allen Römern empfunden wurde. Eine zahl- reiche Leibgarde (Prätorianer) stand jeden Augenblick bereit, seinem Wink zu folgen; die Befugnisse der höchsten republikanischen Würden und Aemter waren auf ihn übertragen, seine Edicte hatten Gesetzes- kraft. Jeder Widerstand war verstummt. Von Verschwörungen wider ihn hörte man nichts mehr. Die bedeutendsten Männer, die größten

6. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 592

1859 - Lübeck : Rohden
592 Xxv. §. 7. Die französische Revolution. lichkeit dieser Elenden sah, ließ sie ans feiger Schwachheit ruhig ge- währen. Sie verlangten einmal, zweimal Notabelnversammlungen, Ludwig berief einmal und zweimal Notabeln — ohne Gewinn. Sie verlangten die Aufhebung des Parlaments, er hob die Parlamente auf; sie wünschten ihre Wiederherstellung, er stellte sie wieder her. Sie glaubten, daß Reichsftände berufen werden müßten, er rief die Reichsstände zusammen — ein getreues Echo, aber kein König. Und als nun 1789 die Reichsstände beisammen waren, die Minister keinen Rath mehr wußten, dagegen die kecken Stimmführer aus den Stän- den heraus anfingen, zu gebieten, da gehorchte der König, wieder nicht minder furchtsam, dem herrischen Ansinnen jener trotzigen Män- ner, vor allen Dingen dem reichbegabten, aber sittlich schon tief herab- gewürdigten Mirabeau. Der König will eine getrennte Bera- thung der drei Stände, Mirabeau will ein Aufgehen des Adels und der Geistlichkeit im dritten Stand, eine ungetheilte National- versammlung, und der König giebt nach. Der König will seine Minister entlassen und neue berufen, die Führer der Nationalversamm- lung verlangen die Beibehaltung des eitlen und rathlosen Ne cker, und der König giebt wieder nach. Die tausend Strudelköpfe, die in der Nationalversammlung saßen, waren Herren von ganz Frankreich und beschlossen und rissen nieder und setzten fest, was ihnen heute oder über Nacht eben in den Sinn kam. Ohne Weiteres schafften sie alle Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit ab, alle Privilegien der Provinzen, der Städte, der Zünfte und Corporationen, rissen tausend- jährige geheiligte Bande auseinander, raubten willkürlich fremdes Eigenthum, und — der König bestätigte, genehmigte Alles und Alles, bis Nichts mehr zu bestätigen und genehmigen war. Auch sein eig- nes Erniedrigungsurtheil, den Beschluß, daß des Königs Widerspruch die Beschlüsse der Nationalversammlung nur aufschieben, nicht verhin- dern solle, hat der unglückliche Monarch unterzeichnet, und eine soge- nannte Constitution, welche das Volk mit seinen Wahlmännern und Erwählten zum Herrn, ihn aber zum Diener machte, hat er mit ausgebreiteten Händen „am Altäre des Vaterlandes" beschworen. Und doch hatte er längst erfahren, was es heiße, das Volk, die Masse, den Pöbel ztim Herrn haben. Auch die Nationalversammlung hatte es erfahren. Berathungen, Erfahrungen, Gründe, Thatsachen — das alles hatte längst keine Geltung mehr; nichts als die rohe Gewalt des von rasenden Führern geleiteten Pöbels'. Was der Pöbel, na- mentlich der Pariser Pöbel verlangte, das mußte die Nationalver- sammlung beschließen; was der Pöbel that, die scheußlichsten Gemein

7. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 595

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 7. Die französische Rcvvlution. 595 mochten. Diese sogenannten allgemeinen Menschenrechte waren nämlich von Nordamerika als ein köstliches Palladium nach Europa, und von Frankreich aus zu allen revolutionirenden Ländern und Ländchen wei- tergetragen. Sie ruhen auf Voraussetzungen, die nie und nirgends zu- treffen, und werden, so lange die Welt steht, nie in Erfüllung gebracht werden können. Daß in Amerika, in dem weiten, menschenleeren Lande, welches nach Gottes Rathschluß der große Abzugscanal für die europäischen Völker werden sollte, solche Gedanken von allgemeinen Menschenrechten, von Freiheit und Gleichheit aufkommen konnten, wun- dert uns eben nicht; denn da war Alles noch im Werden, Keiner hin- derte den Andern, und an Durchführung solcher Grundsätze, z. B. gegen die schändlich hingewürgten Indianer, gegen die grausam gemiß- handelten schwarzen Sklaven dachte und denkt dort kein Mensch. Aber daß in einer europäischen alten Monarchie dergleichen Thorheiten nicht bloß vorgebracht, sondern als höchste Weisheit ausgeschrieen und vertheidigt werden, das mag uns billig Wunder nehmen. Wie war da doch aller Erfahrung und geschichtlicher Wirklichkeit in's Angesicht geschlagen! Anstatt die Leute zu lehren, daß die Obrigkeit von Gott ist und Jedermann der von Gott gesetzten Obrigkeit zu gehorchen hat, so gut wie er seinen Eltern zu gehorchen hat, und daß er sich seine Obrigkeit und Staatsverfassung nicht machen und wählen kann, sowie er sich seine Eltern nicht machen und wählen kann — lehrten jene Thoren von Allem das Gegentheil, und stellten die Sache beständig so dar, als ob eben jetzt, und zwar in Frankreich, ein Haufe eben erst er- schaffener, gleich verständiger und unabhängiger Männer zusammentreten und sich darüber bedenken sollte, welche Obrigkeit und Regierungsform sie sich zurechtmachen möchten. Alle Menschen sind frei und gleich, sagten sie, und mußten doch in demselben Augenblick erklären, daß die Kinder, die Weiber, die Dienstboten, die Beamten unfrei und abhängig seien, und daß ein Jeder von Jugend auf und bis zum Grabe hin in die gesellschaftlichen Ordnungen und Rechte sich schicken, Höheren und Klügeren und Mächtigeren sich unterordnen und seinen Eigenwillen gut oder übel mit dem Willen seiner Umgebung in Einklang bringen muß. Und was hat man in Frankreich aus solch thörichten Lügen gemacht? Man hat sie als die höchste Lugend, Weisheit und Glückseligkeit ausgerufen und sich keinen Augenblick be- sonnen, die ärgsten Verbrechen, die wahnsinnigsten Tollheiten in ihrem Namen zu begehen und ein unabsehbares Elend über das ganze Land und alle Nachbarländer zu bringen. Gerade die Väter, die Urheber und Lobredner dieser neuen Weisheit, die nicht von oben, sondern aus der Tiefe stammt, haben am ersten über die Erfolge ihrer eignen Wünsche und Vorschläge zu seufzen gehabt. „Ihr habt den Stier entfesselt," höhnte Mirabeau diese jämmerlichen Philosophen, „und wundert euch nun, daß er mit den Hörnern stößt?" Merkwürdig, daß auch unter dem Adel jene thörichten Grundsätze von allgemeiner Freiheit und Tu- gend und Glückseligkeit so sehr weit um sich gegriffen hatten, daß die Männer von altem Namen schwärmten für den Irrsinn etlicher Schwach- köpfe oder Betrüger. Aber gerade der Adel bekam die Früchte am 38*

8. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 601

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 8. Napoleon, die Geißel Gottes über die Welt. 601 publik zurecht, etwas spater kam noch die römische und parthenopäi- sche Republik (Neapel) dazu, weiter die helvetische Republik (Schweiz), und früher schon war die batavische Republik (Holland) fertig gebracht. Venedig schenkte er an Oestreich, handelte mit Provinzen und König- reichen, als wären es Gartenbeete in seinem Lustgarten, und that, was ihm einfiel, ohne sich um die Befehle des Directoriumö in Paris viel zu kümmern. Dabei wurden ohne Unterlaß Millionen über Millionen erpreßt, Kunstwerke und Denkwürdigkeiten weggeraubt, regierende Für- sten wie elende Bedienten behandelt und die schreiendsten Gewaltthä- tigkeiten mit der lügenhaftesten Frechheit als wahre Wohlthaten für die Völker gepriesen. — Jndeß der Krieg war aus, und obgleich Ra- ft oleo n's Ruhm schon damals in Jedermanns Munde war, und er auch mit dem Gedanken nach Paris ging, gleich selber die Zügel der Regierung an sich zu reißen, so sah er doch schnell ein, daß er jetzt noch nicht im Stande sein werde, das Directorium zu stürzen. Er mußte seine Armee noch völliger zu seinem willenlosen Werkzeug machen und mußte seinen Ruhm noch viel strahlender, seine Gegner noch viel ohnmächtiger machen. Also Krieg, Krieg mußte er haben, und zwar einen möglichst außerordentlichen, abenteuerlichen, noch nicht dagewesenen, der die leicht entzündliche Einbildungskraft der Franzo- sen in begeisterten Taumel versetzen könnte. Daruin ging er 1798 nach Aegypten, belog und betrog die Mamelucken, wie er die Chri- sten zu belügen gewohnt war, durch hochtönende Redensarten, stem- pelte sich selbst zum Mohamedaner, siegte bei den Pyramiden und wollte Palästina erobern. Er merkte aber bald, daß hier der Ruhm nicht so wohlfeil sei, wie in Europa, und daß er durch seine weite Entfernung vom Hauptschauplatz der Begebenheiten sich selbst nur Schaden brächte. Dazu erfuhr er, daß jetzt auch in Paris „die Birne reif sei", daß die Directorialregierung unhaltbar geworden, daß Oestreich im Bunde mit Rußland von Neuem feindlich gegen Frankreich aufgetreten, daß die Franzosen, überall geschlagen, Italien wieder hätten räumen müs- sen. Da entschloß er sich kurz, ließ seinheer in Aegypten und kehrte mit wenig Getreuen nach Paris zurück 1799, stürzte das Directorium, ließ sich selbst zum Cónsul ausrufen und begann nun Frankreich mit solch despotischer Willkür, mit solch eiserner Soldatenfaust zu beherrschen, wie selbst kein Ludwig Xiv. es gewagt hätte. Und die Franzosen, die, Pariser? Sie ließen sich Alles gefallen, sie jauchzten dem neuen Cón- sul zu. Denn einmal — sie waren durch die letzten zehn Jahre po- litisch so auögemergelt, so kraftlos und unfähig geworden, daß es ihnen selbst für den Augenblick als die größte Wohlthat erschien, von einer
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